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Der arme Weber und der Geizhals

Der arme Weber und der Geizhals, KI generiertes SymbolbildIn Breidenstein lebte vor langer Zeit ein Weber, der ebenso arm, wie ehrlich war. Er mußte sich rechtschaffend plagen, um sein Weib mit zehn Kindern durchzubringen. Gegen Mitternacht kehrte er einmal von einem Geschäftsgang aus dem Wittgensteinischen zurück, als er an dem hessischen Landesgrenzstein einen großen Sack gewahrte, der mit Dukaten bis zum Rand gefüllt war. Auf dem Stein saß eine weiße Frau, die ihn mit einer Handbewegung einlud, ohne Zagen zuzugreifen. Das ließ er sich nicht zweimal sagen und füllte alle Taschen und schließlich auch noch den Hut mit den glänzenden Goldstücken. Dann bedankte er sich recht schön bei der Frau und war fortan aller Not und Sorge ledig. 

Die Ursache dieses Wohlergehens blieb im Dorf nicht lange verschwiegen. Ein reicher Geizhals, dem die Geschichte zu Ohren kam, wollte ebenfalls sein Glück versuchen. Um die Geisterstunde begab er sich zu dem Grenzstein und sah auch wirklich dort zu seiner großen Freude den Geldsack stehen. Statt der weißen Frau wurde der Schatz von einem schrecklichen Riesenkerl mit funkelnden Augen bewacht. Das hinderte aber den Habgierigen nicht, seine Hand nach dem Gold auszustecken. Aber welches Entsetzen erfaßte ihn, als seine Hand in feurigen Kohlen griff, aus denen er sie nicht mehr zurückziehen konnte! Eine ganze Stunde mußte er Höllenqualen ausstehen, bis der Spuck verschwand. Am anderen Morgen wurde er tot aufgefunen. Das Gesicht war ihm in den Nacken gedreht. 

Eine schon recht brutale Sage, die man sich erzählt. Was der Wahre Kern hier ist, kann ich - wie bei den meisten Sagen - nicht erkennen. Eine persönliche Meinung ist, dass der rechtschaffende Weber vielleicht doch nicht so rechtschaffend war und den, wohl unbeliebten aber reichen, Geizhals um seine Habe beraubt hat. Vielleicht war der Geizhals auf Geschäftsreise und der Weber hat ihn an der Grenze abgefangen. Um seinen plötzlichen Reichtum zu erklären erdachte er sich die Geschichte mit der weißen Frau und dem Goldsack. Möglicherweise hat man das Verbrechen in der Gemeinschaft vertuscht und als Erklärung für den toten Geizhals diese um den Riesenkerl erweitert.