Biedenkopf im Dreißigjährigen Krieg
– Zwischen Pest, Plünderung und Asche
Der Dreißigjährige Krieg (1618–1648) war kein ferner Konflikt, sondern eine brutale Realität – auch in Biedenkopf und den umliegenden Dörfern. Zwischen Glaubenskämpfen, Soldateska und Seuchen erlebte das Hinterland Zerstörung in nie gekanntem Ausmaß. Was in Archiven trocken aufgelistet scheint, war für die Menschen dieser Region der totale Zusammenbruch von Ordnung, Sicherheit und Leben.
Zwischen Fronten: Hessen-Krieg und der lange Marsch des Krieges
Bereits 1621 lagerte Graf Johann von Nassau mit seinen Truppen sechs Wochen vor den Toren der Stadt. In den folgenden Jahrzehnten wechselte das Oberhessische Gebiet mehrmals zwischen den Lagern von Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt – mit direkten Folgen für Biedenkopf.
Die Zahlen des Schreckens: Plünderung im Breidenbacher Grund
Ein Schadensregister aus dem Breidenbacher Grund dokumentiert Erschütterndes:
Verlustgut | Menge | Wert in Reichstalern |
---|---|---|
Pferde | 89 + 8 Fohlen | – |
Rinder | 383 | – |
Schweine | 666 | – |
Schafe | 998 | – |
Bienenschwärme | 327 | besonders wertvoll |
Frucht | 10.840 Mött + 9½ Mesten | 17.220 Rtlr, 20 Albus |
Heu und Stroh | – | 1.377 Rtlr |
Speise & Unterhaltung | – | 2.535 Rtlr, 31 Albus |
Gebäudeschäden | – | 9.645 Rtlr, 8 Albus |
Geld gestohlen | – | 482 Rtlr |
Gesamtschaden | – | 42.003 Rtlr, 17 Albus |
Die Pest: Der Tod kommt vor dem Feuer
Die Pest wütete besonders 1625–1627 und 1635–1637. In Biedenkopf überlebten nur 70 Familien, in Breidenbach starben 459 Menschen. Gladenbach musste Massengräber ausheben.
1641: Kriegsschäden in den Dörfern um Biedenkopf
Im Winter 1640/41 hinterließen kaiserliche Truppen Verwüstung. Protokolle dokumentieren den Schaden in vier Orten:
1641: Kriegsschäden in den Dörfern um Biedenkopf
Im Winter 1640/41 traf es die Region Biedenkopf mit voller Härte. Die kaiserlichen Truppen hinterließen eine Schneise der Verwüstung. In Protokollen aus dem Hessischen Staatsarchiv finden sich genaue Schadenslisten für vier Dörfer. Hier ein Auszug der betroffenen Einwohner:
Dexbach
Name | Schaden (Rtlr) |
---|---|
Johannes Astmann | 127 |
Hans Schmidt | 29 |
Weigant Schreiner | 87 |
Johannes Belz | 47 |
Johannes Gerlach | 59 |
Nicolaus Möller | 34 |
Nicolaus Manckel | 45 |
Nicolaus Weber | 43 |
Seibel Pusch | 75 |
Peter Luttermann (Le?) | 58 |
Johannes am Ende | 78 |
Johannes Kauffmann | 13 |
David Schreiner | 18 |
Johannes Alt | 96 |
Hermann Koch | 59 |
Hans Möllers W. | 70 |
Peter Schnyder | 13 |
Hermann Manckell | 89 |
Pfarrherr (B. Rußdorf) | 38 |
Kirche | 10 |
Summe | 1.088 |
Eckelshausen
Name | Schaden (Rtlr) |
---|---|
Pfarrherr (Georg Mylius) | 114 |
Just Werner | 27 |
Johannes Heckenschmit d.j. | 22 |
Weigand Werner | 159 |
Johannes Heckenschmidt d. ä. | 36 |
Balzer Prinz | 15 |
Johannes Junckmann | 56 |
Hans Linne | 1 |
Reiz Muth | 7 |
Reitz Born, Opfermann | 13 |
Jorge Hauerbecher m | 48 |
Bernhard Storck m | 22 |
Johannes Schäfer | 39 |
Hermann Tunckmann, Frau m | 42 |
Heinz Becker | 21 |
Hans Wener | 53 |
Johannes Platt (Plett?) | 20 |
Summe | 695 |
Kombach
Name | Schaden (Rtlr) |
---|---|
Just Werner | 74 |
Hannaus, Altmüller auf der Altmühle | 55 |
Johannes Pfütz | 16 |
Michel Brüll | 67 |
Paulus Bölcker | 62 |
Deiß Born | 58 |
Weigand Heck | 78 |
Hans Pfütz | 23 |
Zacharias Junckmann | 49 |
Johannes Eichmann | 50 |
Johannes Muth | 30 |
Just Kriger | 108 |
Jochim Born | 35 |
Heinkel Roh | 28 |
Johannes Werner | 20 |
Heinrich Weber | 27 |
Summe | 780 |
Engelbach
Name | Schaden (Rtlr) |
---|---|
Peter Wolfgruber | 51 |
Adam Blank | 76 |
Dönges Schmit | 91 |
Johannes Achenbach | 42 |
Jacob Balzer | 85 |
Nicolaus Brüll | 29 |
Johannes Noll | 31 |
Heinrich Scheffer | 41 |
Curt Achenbach | 30 |
Nicolaus Pfütz | 29 |
Johannes Brüll | 49 |
Summe | 554 |
1647: Die Feuertaufe Biedenkopfs
Nach dem Tod eines kaiserlichen Kuriers rückten Truppen unter General Melander vor:
- 146 Gebäude zerstört – darunter 72 Wohnhäuser
- Schaden: 30.000 Reichstaler
- Zwei Tage Plünderung durch drei Kompanien zu Fuß und zwei zu Pferd
„Haus und Scheune verbrannt, Frucht, Vieh, Kleidung – alles verloren“
Kirchen entweiht, Pfarrer beraubt
Altäre, Kanzeln, Orgeln und Pfarrhäuser wurden geplündert. In Lixfeld nahmen Soldaten sogar die Altartücher und Glockenseile mit. Pfarrer Zahn wurde beraubt und floh.
Zwangsarbeit und Kontributionen
1646 wurden aus Biedenkopf u.a. 10 Pferde, 36 Kühe, 11 Rinder, 150 Schafe weggeführt. Im Amt Battenberg forderte man 10.000 Pfund Brot, Bier und Wein – obwohl Felder bereits verwüstet waren.
Ein Wunder des Wiederaufbaus
Nach dem Frieden von 1648 begann der Wiederaufbau. Der Wille der Bauern und die Verwaltung durch Hessen-Darmstadt ermöglichten ein neues Leben auf verbrannter Erde.
Fazit: Der Krieg im Kleinen – grausam, messbar, unvergessen
Die Geschichte Biedenkopfs im Dreißigjährigen Krieg zeigt, wie tiefgreifend große Kriege das lokale Leben prägen.
„Wir dürfen Geschichte nicht vergessen – erst recht nicht, wenn sie uns bis ins Fundament erschüttert hat.“
Quellen:
Armin Sieburg, Artikel im Buch "Geschichte und Geschichten unserer Stadt" Band 1, S211ff
Karl Huth: „Biedenkopf – Burg und Stadt im Wandel der Jahrhunderte“, 1940; Mitteilungen der Hess. Familiengeschichtlichen Vereinigung, Bd. 6, Heft 2, 1940.