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Oberhessen wird geteilt

Fantasievolle Darstellung einer Reiter- und Nahkampfszene aus der Zeit des Hessenkriegs (1645–1648), KI-generiert im Stil barocker Historienmalerei“

Der Hessenkrieg: Bruderzwist um Land, Macht – und Biedenkopf

Als im 17. Jahrhundert der Dreißigjährige Krieg Europa erschütterte, tobte in Hessen ein ganz eigener Bruderkrieg: der sogenannte Hessenkrieg. Was zunächst wie ein Nebenschauplatz erscheinen mag, war in Wahrheit ein blutiger, erbitterter Machtkampf – mit massiven Folgen für die Menschen in der Region um Biedenkopf.

Vorgeschichte: Geteiltes Hessen – geteilte Loyalitäten

Nach dem Tod des Landgrafen Philipp des Großmütigen im Jahr 1567 wurde Hessen unter seinen vier Söhnen aufgeteilt. So entstanden die Linien Hessen-Kassel, Hessen-Marburg, Hessen-Rheinfels und Hessen-Darmstadt. Während Hessen-Rheinfels rasch wieder verschwand und Hessen-Marburg 1604 ohne männlichen Erben blieb, entbrannte ein Konflikt um dessen Erbe zwischen Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt.

Landgraf Ludwig IV. von Hessen-Marburg hatte testamentarisch bestimmt, dass sein Land nur an einen lutherischen Erben fallen dürfe. Hessen-Kassel unter Moritz dem Gelehrten war jedoch inzwischen zum reformierten Glauben übergetreten. Ludwig wollte das Erbe deshalb lieber Hessen-Darmstadt überlassen. Der Streit wurde nach Ludwigs Tod 1604 zur politischen Realität – und schließlich zur militärischen.

Der „Hessenkrieg“ im Schatten des Dreißigjährigen Krieges

Als 1618 der Dreißigjährige Krieg ausbrach, eskalierte auch der innerhessische Erbstreit. 1623 kam es zur offenen Fehde, die in die allgemeinen Kriegswirren eingebettet war. Der sogenannte Hessenkrieg (1624–1648) wurde mit teils erbarmungsloser Härte geführt, vor allem in den Grenzregionen der beiden rivalisierenden Linien.

Während Hessen-Darmstadt kaiserlich (katholisch) orientiert war, stellte sich Hessen-Kassel auf die Seite der protestantischen Union. Damit wurden die Kämpfe in Hessen ein Mikrokosmos des großen Religionskriegs, angereichert durch dynastische Rivalität.

Biedenkopf zwischen den Fronten

Das Amt Biedenkopf, das geografisch und strategisch zwischen beiden Landgrafschaften lag, geriet schnell in den Fokus des Konflikts. Die Stadt war Teil von Hessen-Marburg gewesen und fiel nach dem Tod Ludwigs IV. zunächst an Hessen-Darmstadt.

Doch Hessen-Kassel beanspruchte das Gebiet – nicht zuletzt, weil es eine wichtige Bastion in der Hinterlandregion darstellte. Schloss Biedenkopf, das seit dem Mittelalter die Region dominierte, wurde zeitweise militärisch genutzt, zuweilen auch nur als Vorratslager, doch in jedem Fall war es ein Symbol für die Macht über das Gebiet.

Die Bevölkerung von Biedenkopf litt schwer unter den ständigen Truppenbewegungen, Kontributionen, Requirierungen und Plünderungen. Mal standen kaiserliche, dann wieder schwedisch-protestantische Truppen in der Stadt oder vor ihren Toren. Zeitweise wurde Biedenkopf besetzt, mehrfach verwüstet, und immer wieder musste die Stadt neu aufgebaut werden.

Das Gefecht auf der Totenhöhe – ein blutiger Höhepunkt

Ein besonders tragisches Kapitel war das Gefecht auf der Totenhöhe bei Caldern, nur wenige Kilometer von Biedenkopf entfernt. Am 21. Juli 1646 kam es dort zu einer blutigen Schlacht zwischen hessen-kasselschen Truppen unter General Geyso und hessen-darmstädtischen Verbänden. Beide Seiten kämpften erbittert, die Verluste waren hoch, die Entscheidung jedoch unklar. Das Gelände wurde später „Totenhöhe“ genannt – ein düsteres Mahnmal für das sinnlose Sterben im Bruderkrieg.

Frieden und Folgen

Mit dem Westfälischen Frieden von 1648 endete auch der Hessenkrieg. Die Besitzverhältnisse wurden neu geregelt, doch viele Wunden blieben offen. Hessen-Kassel behielt einige Teile des umstrittenen Territoriums, musste aber auf andere verzichten. Biedenkopf selbst blieb dauerhaft bei Hessen-Darmstadt und wurde damit Teil eines neuen Machtgefüges.

Die Bevölkerung aber hatte einen hohen Preis gezahlt. Städte wie Biedenkopf waren entvölkert, die Wirtschaft lag am Boden, und das soziale Gefüge war zerrüttet.

Fazit: Ein Bruderkrieg im Herzen Hessens

Der Hessenkrieg war mehr als ein dynastischer Zwist – er war ein Kapitel tiefgreifender politischer, religiöser und sozialer Erschütterung. Für Biedenkopf bedeutete er Zerstörung und Ungewissheit, aber auch einen Wendepunkt: Nach den Wirren des Krieges begann langsam der Wiederaufbau – ein neuer Abschnitt in der wechselvollen Geschichte der Stadt.


Quellen: