Festvortrag aus Anlaß der Wiedereinweihung der Hospitalkirche am 30. November 1974 von Elisabeth Margarete ldelberger nach der Materialsammlung von Dr. Elsa Blöcher
Die Hospitalkirche in Biedenkopf ist dieses Jahr 555 Jahre alt geworden. Im Jahre 1419 wurde sie erbaut - nicht in ihrer jetzigen Gestalt. Nur der Chor ist original, eine der spätesten Nachahmungen der St.-Elisabeth-Kirche zu Marburg. Das Schiff wurde 1617 völlig umgestaltet und erweitert und der heutige Dachreiter darübergesetzt. Aus dieser Zeit stammt auch die Holzkanzel, im Stil der Spätrenaissance, verwandt der alten Kanzel der Stadtkirche, die jetzt in Frankfurt im Historischen Museum steht, und den Kanzeln in
Breidenbach und Wallau. Im Chor die wunderhübsch skulptierten Kapitäle mit den Wappen der Stifter, der Verkündigungsengel Gabriel und die schönen gotischen Bogen vor dem Sakramentshäuschen stammen aus der Erbauungszeit. Die jetzt erst freigelegten Wandmalereien sind etwa ein Jahrhundert jünger.
1417 von Gerlach von Breidenbach gestiftet
Diese Kirche ist eine private Stiftung. Sie wurde, wie das gesamte Hospital, im Jahre 1417 von dem Freiherrn Gerlach von Breidenbach und dem Gemahl von dessen Stieftochter, Hermann von Löwenstein gestiftet. Ihrer beider Wappen sehen Sie auf den Kapitälen und den Schlußsteinen der Gewölbejoche. Die Stiftungsurkunde ist uns erhalten. Unterschrieben und gesiegelt am Sonntag Cantate 1417, dem 9. Mai, von Landgraf Ludwig I. von Hessen. Ihre wichtigsten Teile in hochdeutscher Übertragung lauten:
“Wir, Ludwig von Gottes Gnaden, Landgraf zu Hessen, bekennen durch diesen Brief für uns und unsere Erben, daß wir eingewilligt haben, daß unser lieber, vertrauter, getreuer Herr Gerlach von Breidenbach der Ältere, Ritter, ein ewiges Siechenspital baue vor unserer Stadt Biedenkopf auf einem Acker, genannt am Galgenberg, und dabei eine Kapelle und in der Kapelle einen Altar, der geweiht werden soll zu Ehren der Heiligen Dreifaltigkeit, der Heiligen Drei Könige, des St. Antonius und der heiligen Jungfrau Sta. Barbara, dem allmächtigen Gott zu Lobe und Ehren.
Der Altar soll zu Lehen gegeben werden dem Herrn Gerlach von Breidenbach, dem oben Genannnten, und seinen rechten Erben, die zu seinem Wappen geboren sind, und zur Versorgung weiterverlehnt werden an eine Person, die gerade Priester ist oder binnen Jahresfrist Priester werden wird, soofl dies nötig ist.
Stirbt Herr Gerlach, der Vorgenannte, ohne Leibeserben - was Gott verhüte - so soll der Altar Herrn Johann, seinem Bruder und dessen rechten Leibeserben verliehen werden.
Sollte auch Herr Johann ohne Leibeserben sterben - was Gott nicht verhängen möge - so sollen Wir, der oben geschriebene Landgraf Ludwig, oder wer Fürst des Landes zu Hessen ist, dieses Altarlehen einem frommen Priester anvertrauen nach Gottes Willen, soofi dies notwendig ist.
Und die Übergabe des Lehens des oben geschriebenen Altars soll in keiner Weise durch uns oder unsere Erben gehindert werden.
Und dies soll für ewige Zeiten bestehenbleiben. Und wer Kaplan dieses Altars ist und den Altar als Lehen hat, der soll alles, was auf dem Altar geopfert wird, zu eigen behalten. Und dieser Kaplan soll dem Pfarrer zu Biedenkopf wer das auch ist, alle Jahre auf den St.-Martins-Tag drei Turnose Geld (das sind Silbergroschen) als Anerkennung geben.
Gegeben und gesiegelt als Urkunde anno 1417 am Sonntag Cantate.”
Landgraf Ludwig liebte Biedenkopf
Wie kommt Ritter Gerlach Von Breidenbach dazu, vor der Stadt Biedenkopf ein Hospital stiften zu wollen? Warum muß der Landgraf das genehmigen? Warum nennt er Biedenkopf “unsere Stadt Biedenkopf” und schreibt eine so großzügige Urkunde?
Die Freiherren von Breidenbach zu Breidenstein waren damals die mächtigsten. Adligen des Breidenbacher Grundes, mit ausgedehnten Besitzungen und beachtlichem Vermögen. Sie behaupteten eine starke, selbstständige Stellung zwischen den Grafen von Wittgenstein und den Landgrafen von Hessen, den Städten Laasphe und Biedenkopf.
Sie erreichten, daß Breidenstein 1398 Stadtrecht erhielt. Allerdings mußten sie seit 1395 den Landgrafen von Hessen als ihren Lehnsherrn anerkennen und Gerichts- und Burgherrenrechte ihm übergeben, um sie dann von ihm als Lehen zurückzuempfangen.
Mit der Stadt Biedenkopf Waren sie eng verbunden. Auch hier hatten sie Besitzungen, Äcker und Wiesen.. Sie waren Patronatsherren eines Altars der Pfarrkirche zu Biedenkopf. Herr Gerlach hatte diesen Altar zwei Jahre vor dem Hospital gestiftet, das bedeutet: Er durfte ihn bauen und die Stelle des Kaplans an diesem Altar besetzen.
Zum Unterhalt des jeweiligen Kaplans stiftete der einen großen Acker. Dieser Altar stand in der Not-Gottes-Kapelle, dem einzigen Teil der heutigen Stadtkirche, der von der mittelalterlichen Pfarrkirche noch erhalten geblieben ist. In dieser Pfarrkirche hatten die Breidenbachs auch einen Kirchenstuhl und eine Begräbnisstätte inne.
Die Zeit der frommen Stiftungen
Es war damals die Zeit der frommen Stiftungen.
Stiftungen für die Kirche um des Seelenheils eines einzelnen oder einer ganzen Familie und Sippe willen, manchmal auch zur Sühne oder Buße, waren seit dem frühen Mittelalter üblich.
In der Zeit der Hochgotik und der Mystik wurde man sich mehr und mehr nicht nur der christlichen Glaubenssätze, sondern mit starkem Geíühl der Liebe zu Gott und der Liebe Gottes zu den Menschen bewußt, die das Verantwortungsbewußtsein für den Nächsten weckten.
In Italien hatte Franz von Assisi, in unserer Heimat die heilige Elisabeth, ein Leben in Armut und im Dienst an den Ärmsten und Kranken vorgelebt.
In Hessen war die Erinnerung an die große Heilige lebendig; im Hinterland erzählte man von Wundertaten, die sie an vier Biedenköpfern, an Kranken aus Breidenbach, Elmshausen und Wiesenbach vollbracht habe.
Die Erinnerung an ihr Wirken blieb nicht nur im Volk lebendig, sondern auch im hessischen Fürstenhaus, dessen Stammutter die Heilige war.
Es gab in der christlichen Welt kein anders Herrschergeschlecht, das sich einer solchen Vorfahrin oder eines solchen Vorfahren rühmen konnte.
Die Landgrafen zeigten sich ihrer Verpflichtung bewußt einem Wirken gegenüber, ihrem Wirken, das als Erbe ihnen zugekommen war.
Wie sie hier 1417 einheimischen Adligen die Gründung eines Hospitals erlaubten, sie vielleicht sogar anregten (was man nicht weiß) so bestimmten sie hundert Jahre später den verweltlichten Klosterbesitz Hessen für die Einrichtung der Landesuniversität in Marburg und für Kranken- und Altenheim.
Haina ist die erste staatliche Pflegeanstalt Europas, gedacht für Blinde und Lahme. Es war die evangelische Veranwortung Philipps des Großmütigen, die diese Bestimmungen traf. Philipp war einer der ganz wenigen deutschen Fürsten, die von dem eingezogenen Klostergut nicht einen Heller für ihre privaten Bedürfnisse oder für ihr Heer ausgaben.
Ähnliche Züge nun stellen wir hundert Jahre früher bei unserm Landgrafen, Ludwig I., genannt der Friedsame, fest. Er ist erst 1413, als elfjähriger Knabe, zur Regierung gekommen. Er gilt als klug und frühreif, als eine religiöse Natur, nimmt sich mit großem Ernst der Reform der Klöster an. Er hat bis 1461 regiert, konnte also auch die Entwicklung des Siechenspitals zu Biedenkopf noch 44 Jahre lang verfolgen.
Seine Beziehungen zu Biedenkopf sind sehr eng. Er scheint der Stadt besonders zugetan zu sein.
In Urkunden spricht er von “seinen lieben, getreuen Bürgermeister, Schöffen und ganze Gemeinde zu Biedenkopf ". Von unserer Stadt aus erläßt er seine Gerichts- und Polizeiordnung für Hessen, in der er Biedenkopf unter anderem bestimmte Rechte zugesteht, z.B. das Recht, Burgmannen zu pfänden, wenn sie Schulden bei der Stadt haben und auf Mahnungen nicht eingehen. 1446 bestimmt er Biedenkopf - Burg und Stadt - als Wittum, das heißt als Witwensitz mit allen Einkünften, für seine Schwiegeıtochter.
Die Breidenbacher waren Burgmannen
Die Burg gehört ihm (Ludwig I.). Seine Vorfahren hatten sie wohl 1200 erbaut.
Sophie von Brabant, die Tochter der heiligen Elisabeth, und ihr Sohn, Heinrich das Kind, hatten den Raum um Biedenkopf fest in die Hand der Familie gebracht. Die Herren von Breidenbach gehörten zu des Landgrafen Burgınannen. Sie hatten ihren Sitz ursprünglich irmerhalb der Mauern des alten Burggeländes, später an der Stelle der heutigen Klingelburg in der
Hintergasse.
Die Landgrafen von Hessen waren gelegentlich stark verschuldet. Mehrmals ist es vorgekommen, daß die Herren von Breidenbach ihnen mit Geld unter die Arme griffen.
Dafür verpfändeten die Landgrafen zu wiederholten Malen Burg und Stadt Biedenkopf an die Herrn von Breidenbach; die Beziehtmgen der Land-grafen und die der Herren von Breidenbach zu Stadt und Burg Biedenkopf waren also eng miteinander verzahnt.
Zur Zeit der Hospitalgründung ist Ludwig I. wieder Herr von Biedenkopf.
Die Schulden an die Breidenbachs scheinen abgelöst zu sein.
Wahrscheinlich muß deshalb Ludwig dem Gerlach von Breidenbach die Genehmigung zur Stiftung geben.
Vielleicht ist es auch ein landgräfliches Grundstück gewesen, auf dem das Hospital errichtet wurde. Die Formeln zu "Lehen geben und weiterverleihen” könnten darauf hindeuten. Man weiß das aber nicht genau. Es ist auch nicht ganz ausgeschlossen, daß es sich um ein kirchliches Grundstück handelte, denn wir hörten ja, daß der Kaplan alljährlich dem Pfarrer der Stadtkirche eine Anerkemiungsgebühr zahlen muß. Allerdings kann das auch eine bloße Anerkennung seiner geistlichen Aufsichtsrechte über den Kaplan bedeuten.
Der Forschung sind hier Fragen offengeblieben und werden es vielleicht auch immer bleiben. Es sei denn, man könnte mit ähnlichen Stiftungsurkunden und gepflogenheiten an anderen Orten vergleichen.
Der zweite Stifter, Hermann von Löwenstein, Gemahl der Stieftocher Gerlachs, wird in der Stiftungsurkunde selbst nicht erwähnt. Ihn nennen erst Akten aus der Zeit um 1600.
Aber sein Wappen hier in der Kirche beweist die Richtigkeit der Angabe; außerdem ist bekarmt, daß auch die Löwensteins in dieser Linie ansässig in Schweinsberg - großzügige Stiftungen zugunsten der Kirche zum Seelenheil ihrer Familie schon mehrfach gemacht, ja, dadurch ihren Grundbesitz empfindlich geschmäleıt hatten.
So ist anzunehmen, daß Hermann von Löwenstein dem Hospital zu Biedenkopf vorwiegend Geld- und Fruchtrenten (also Naturalien) zukommen ließ.
Zumal er im Verzeichnis der Güter des Hospitals nirgends als vorhergehender Besitzer genamıt wird.
Hinweis: Die Interpretation des Wappens in der Kirche ist nicht korrekt. Das Wappen gehört zum Vogt von Frohnhausen. Hermann von Löwenstein ist nicht mit der Stiftung verbunden.
Spital zum Heiligen Geist
Man begann also in Biedenkopf mit dem Bau des Siechenspitals zum Heiligen Geist. Es soll schon vorher eimnal ein Siechenhaus in Biedenkopf gegeben haben, und zwar an der Billerbach an der Siechenhecke, wie ein alter Chronist berichtet. Das neue Hospital wurde also “auf einem Acker an dem Galgenberge” erbaut.
Wo wir jetzt hier sitzen, war damals freies Feld bis etwa zur Mitte der Straße und bis zum Galgenberg hin. Darüber lag der Friedhof der Stadt, der damals schon vor die Mauern der Stadt verlegt worden war, und darüber verlief die alte Straße von Eckelshausen nach Biedenkopf, etwa wo heute Schillerweg, Höfchen und Galgenbergstraße sich hinziehen. Dann kam eine kleine Brücke über den Kottenbach, der durch die heutige Kottenbachstraße über den Markt in Richtung Bachgrundstraße und in einem anderen Arm am Hospital vorbeifloß. Über die Brücke weiter führte der Weg über den damals schon entstandenen Markt, der mit der Hainstraße und dem sehr viel engeren Gelände im Bereich der heutigen Hospitalstraße die Vorstadt bildete, zur eigentlichen Innenstadt durch das Niedere Tor oder die Niederpforte, auch Marienpforte genannt, dem heutigen Eingang der Stadtgasse zwischen Hirschapotheke und dem Geschäft Heck. Einige von ihnen erinnern sich zur 700-Jahr-Feier der Stadt 1954 dieses Tor aus Pappmaché sehr hübsch als Attrappe aufgeführt war und der mittelalterliche Festzug sich hindurchbewegte.
Wo allerdings heute die erwähnten Häuser stehen, verlief damals die Stadtmauer.
Vor der Mauer, vielleicht auf der Marienpforte, stand damals eine Marienkapelle, die auch einen Altar für Sta. Ursula enthielt.
Unsere Hospitalkapelle oder Kapelle zum Heiligen Geist war nur eins der vielen Hospitalgebäude. Da gab es vor allem das Haupt- und Wohnhaus, das eigentliche Spital, mit der Küche und einer großen heizbaren Stube, vielleicht ein Haus für den Verwalter, Scheunen, Ställe, ein Backhaus und andere Wirtschaftsgebäude. Der ganze Bereich zwischen der heutigen Metzgerei Ruppersberger und der Kirche war mit Hospitalgebäuden bestellt, bis gut zur Mitte der jetzigen Hospitalstraße, vielleicht noch etwas weiter. Einige von ihnen stehen jetzt noch, nur, nach mancherlei Umbauten, in ganz veränderter Gestalt.
Ein großes soziales Hilfswerk
Wozu diente nun dieses Spital? Es war kein Krankenhaus im heutigen Sinn. Eher wäre es mit einem Altenheim zu vergleichen: Zwölf bis dreizehn oder sogar mehrn alte, gebrechliche Leute beiderlei Geschlechts und aus allen Ständen, die nicht mehr fiir sich selbst zu sorgen vermochten, konnten hier aufgenommen und versorgt werden.
Sie brachten für ihren Unterhalt einen Zuschuß ein, der sich wahrscheinlich nach ihrem Vermögen richtete. So hören wir von einer Biedenkopferin, daß sie dem Hospital ihr halbes Haus verpfändet, damit ihre Schwester im Hospital aufgenommen werden kann. Später, wohl nach dem Tod der Schwester oder nachdem sie irgendwie zu Bargeld gekommen ist, löst sie dieses halbe Haus wieder aus. Man nannte die Insassen Pfründner, weil sie Nutznießer eines Anteils des Hospitalgutes waren, der als Pfründe verstanden wurde. Bei dem Hospital in Biedenkopf handelt es sich um ein großes soziales Hilfswerk; nicht um eine Verherrlichung der Kirche, sondern um Hilfe fiír die Kranken und Alten.
Mit dem Wachsen der Einwohnerzahlen in Stadt und Land im Hochmittelalter, mit der Vergrößerung der Städte, den Anfängen der kapitalistischen Wirtschaft mit zunehmendem Wohlstand in einzelnen Ständen, den großen Seuchen, der Pest, die als Folge der Kreuzfahrten in den Orient Europa heimsuchten, bildeten sich in der früher viel einheitlicheren, großbäuerlich-ritterlichen und kleinbäuerlich-ländlichen Bevölkerung stärkere besitzgebundene Unterschiede heran, noch vermehrt durch die handwerklich-kaufmännischen Stände. Unwillkürlich werden wir an die ständischen Umwälzungen infolge der Industriealisierung im vorigen Jahrhundert erinnert und die dadurch entstehenden neuen sozialen Aufgaben.
So gab es unversorgte Arme, alleinstehende Leute, Alte, Sieche, die der Stadt zur Last lagen und für die nun hier Heimat, Geborgenheit und Versorgung geschaffen wurden.
Reicher Grundbesitz
Das Hospital wurde durch seine Stifter ausgestattet mit reichlichem Grundbesitz innerhalb und außerhalb Biedenkopfs. Dieser Besitz bzw. die Einkünfte daraus wurden Verwaltet von einem Verwalter oder “Hospitalmeister”, der der Stadt. darüber Rechnung zu legen hatte - der Stadt, nicht dem Stifter.
Hier erhebt sich nun von Anfang an die Frage: War die Stiftung eigentlich eine geistliche oder eine weltliche?
Für beides gibt es Anhaltspunkte: Verwaltet wurde das Hospital von Anfang an von der Stadt und der Kirche gemeinsam.
Bürgermeister und Rat zusammen mit dem Pfarrer und den Kirchenältesten bestallten den Hospitalverwalter, der für die Führung des ganzen Betriebes verantwortlich war. Er rechnete mit dem Kastenmeister der Stadt ab. Die Abrechnung wurde danach vom Bürgermeister überprüft. Stadt und Kirche gemeinsam vermittelten die Verpachtung der Hospitalgüter. In den ersten Jahrhunderten scheint das alles glatt und ohne Probleme gegangen zu sein.
Doch entwickeln sich später an diesem Punkt Konflikte.
Hören wir nun aber zunächst noch mehr über die Ausstattung des Hospitals und über seine Insassen. Soweit der Grundbesitz in Biedenkopf lag, wurde er von einem Pächter, dem sogenannten "Hofmann”, dem Knecht und Magd unterstanden, auch unter Mithilfe derjenigen Pfründner, die sich noch rüstig fühlten, bearbeitet, teilweise wohl auch von anderen Pächtern.
Den auswärtigen Besitz bearbeiteten Pächter, die zum Teil schon. vorher Pächter oder Hofverwalter der Stifter gewesen waren. Sie hatten dann dem Spital für den Unterhalt der Pfründner jährlich feste Abgaben in Gestalt von Getreide, Heu, Wachs, Vieh und dergleichen zu liefern.
Wir haben ein Verzeichnis der Hospitalgüter, das allerdings Lücken aufweist und nicht mehr an allen Stellen leserlich ist. Daraus entnehmen wir unter anderem:
In Biedenkopf hat das Hospital 14 Morgen an Ländereien; dazu werden noch etliche Äcker gekauft; acht Fuhren Heu werden außerdem geliefert. Dem Hospital gehört ein Gut zu Wehrshausen, darauf ein Wohnhaus, eine Scheuer, ein Pferdestall, ein Schafstall.
Ein Hof zu Damshausen mit dreizehn Morgen Ackerland liefert jährlich unter anderen zwei Gulden, eine Gans, einen Hahn, ein Huhn.
Ein Gut zu Wollmar mit mehr als dreizehn Morgen Land muß liefern sieben Fuhren Heu, einen Malter Korn, einen Malter Hafer, zwei Gänse, zwei Hähne, ein Huhn.
Ein Gut zu Amenau mit l7 Morgen Land und einem Morgen Wiese hat zweieinhalb Fuhren Heu zu liefem. Der dortige Hofmann gibt außerdem jährlich einen Malter Korn, einen Malter Hafer, eine Gans, einen Hahn, ein Huhn ins Hospital.
Ein Gut zu Holzhausen mit nicht ganz fünf Morgen an bebautem Acker und drei Morgen Wiese. Zu liefern sind fünf Fuhren Heu, drei Gänse, drei Hähne, ein Huhn.
Ein Gut, Lage unbekannt, mit mehreren Morgen Land, einem Morgen Wüsten Trieschern, 15 Morgen an Trieschem mit Holz und Sträuchem, einem Viertel Krautgarten. Es liefert sechs Fuhren und zweieinhalb Haufen Wiesenheu und fünf Gulden.
Ein Hof mit 31 Morgen Ackerland, einigen Morgen Wüsten Trieschern, zwei Baumgärten, einem Krautgarten. Er liefert 14 Mesten Kom, 14 Mesten Hafer, zwei Gänse, zwei Hähne, etliche Pfund Wachs.
Dann hatte das Hospital einen Garten unterm Spital, die Kreuzwiese, ein Wiesenstück vorm Spital, einen Stall im Ellerloch.
Von verschiedenen Dörfern kommen von einzelnen Höfen noch jährliche Abgaben, z.B. aus Kombach eine Gans, ein halbes Huhn; aus Allendorf eine Gans; aus Friedensdorf eine Gans; aus Wolfgruben eine Gans.
Die von Breidenbachs haben im Lauf der Zeit einen großen Teil dieser genannten Güter und noch andere Grundstücke für das Hospital gekauft. Einiges kaufte auch das Hospital selbst aus eigenen Geldem hinzu. Wieder anderes wurde von anderen Personen gestiftet. Den Breidenbacher Herren stand auch in Biedenkopf der sogenannte Korn - Zehnt zu. Den schenkten sie halb dem Hospital, halb der Pfarrei.
Alles dieses mußte ja nun von dem Verwalter sorgfältig überwacht und verbucht werden. Er mußte ein sehr vertrauenswürdiger Mann sein. Ihm unterstanden außerdem die Hospitalgebäude mit allem Inventar, und er stand dem Haushalt der Insassen vor.
Wir haben Inventarverzeichnisse, die jedesmal erstellt bzw. korrigiert wurden, wenn einem neuen Verwalter das Hospital übergeben wurde. Diese Inventarverzeichnisse geben recht interessante Einblicke in die damalige Lebens- und Arbeitsweise. Hier einige Auszüge aus einem von ihnen.
Inventarium vom Jahr 1799, 30. Dezember
als der Hospitalverwalter Johannes Brühl abgegangen und der neue Verwalter Johann David Breidenstein eingeführt und solchem nebst diesem Inventarium alles geliefert worden ist:
Ist vorrätig an Korn | Mälter | Meste |
an Gerste | 36 | - |
an Hafer | 36 | 1 1/2 |
an Waitzen | 5 | - |
an Linsen | - | 1 |
An Lein Muhls (Leinsamen) | - | - |
an Erbse | 2 | 1 1/2 |
an Gommer (Gurken) | 1 | 2 |
an Winder Samme (Winterraps) | 1 | 1 |
an Sommer Samme (Sommerraps) | 1 | 1 |
an Kartoffeln 144 Sack, an Gelbe Riepe 25 Sack voll, an eingehobbelde Kraut( eingehobeltes Weißkraut) 12 1/2 Ohm, an Rocken Mehl ist der Vorraht 3 Sack, an Hafer Mehl ist 3/4 Meste, an Waitze Mehl ist 1/2 Meste, an Hirsche (Hirse) nichts, an Saltz 1 Meste.
An Haus Raht: 2 Pferde, 7 Kühe, 1 zweyjährig Rind, 2 angeschlagen Kalb, 10 Schweine, 2 Hähne, I2 Hühner, 19 Stück Schafe, alte und junge.
Der Tod Weider (Der tote Widder? ). 1 Wagen nebst allem Zubehör als 2 Heuketten, 2 Spannketten, dito 2 Fruchtketten, 2 Anhangsketten, 1 Pflug nebst allem Zubehör als 2 Eggen, 1 Eiserne Kratz, 1 Eisern Ring ander Keller, 1 Stückel, 5 Eisern Bolzern, 1 Schnitz Messer, 5 Brauchbare Ätz (Äxte), 5 Brauchbare Beilen, 2 Schrotsägen, 1 Spansäge, 2 Spann Krappen, 4 Mistgabeln, 2 Mist Hacker, 2 Heugabeln, 1 Keil Hacke.
Specification über das Geschörr zur Arbeit, als: I Brauch Barer Acks der Knecht bey gefähr (eine brauchbare Axt hat der Knecht für Gefahr), 1 Georg Ludwig Plitt, 1 Konrad Wehn, 1 Johann Jakob Plitt, 1 Bertram. Dito 5 stick ist geliefert. 1 Brauch Barer Beigel (Beil) Georg Ludwig Plii, 1 Joh. Jost Plack, 1 Konrad Wehn, 1 Joh. Jacob Plitt, 1 Bertram, Dito 5 Stück ist geliefert. 1 Schippe Georg Plitt, 1 Konrad Wehn, 1 Bertram; Dito 4 Stick sind geliefert; dem Schreiner Plitt die seine ist abgenutzt und Enzweig (entzwei). Dorn Hanschu (Handschuhe): 1 Georg Plitt, 1 Konrad Wehn, 1 Joh. Jacob Plitt die sein Enzweig, 1 Bertram, dito 4 Paar sind geliefert. Karsche wie Vollget: 2 Konrad Wehn und dessen Frau, 1 Georg Plitt, 1 Jacob Plitt, 1 die Bürkräfin (Burggräfin), 1 die Einolfin, 1 die Bausin, 1 die Magd, 8 stick sind geliefert, Bertram, 8 Karste.
Dito wieder: 2 Breite Hacke, I Streit Hacke, I Fleisch stoßer, 5 Eiserne Ofen, 1 Schöpf Löffell, 1 Schaum Löffel, 1 Fleisch Gäbel, 1 Muß scharber, 1 Eiserner Tigel, 2 Kupferne Kessel davon einer eingemauert, 3 zinerne Schüsseln, 1 Gieß kann die abgenutzt ist “(ist wieder gemacht)", 1 Blecherne Millchseihe, 1 blecherne Birn Seiche, 1 Kupferner Durchreiber, 1 Messingern Kran, 3 Schippen und alte abgenützte, 7 Spaten, 1 Flachs Reffe, 3 Eisern Krülen, 2 beschlagene Meste, 1 Maßgen, 1 Sichel, 1 Sense, 3 Brod Kratzen, 1 Hebe Lade nebst doppelen zugehör, 1 Schnell Wage, 2 Bäck Tröge, 1 Schalwage, 1 Wage seil, 1 Butter Faß, 1 Stroh Bank mit dem Messer, 2 Hafer Reiffe, 1 Rohl Seil, 3 Wurf Schaufeln.
An Bücher: 1 Evangelien Postille, 1 Epistel Postille, 1 Gebät Buch, 1 Aurier Selbstprüfung, 1 Aurier Hinfühlen in die Ewigkeit, 1 Große Bibel, 1 Heckenscher, 2 Fleisch Panne, 1 Nachtstuhl, 2 Vorhangs Schlösser fehlt, 1 Trink Faß und ein alter nicht mehr zu Brauchen, 1 Wänge fehlt, 1 Esig Faß, 1 Holtzerner Drey Fuß, 10 Kuhketten, 13 Eiserne Krappe, 1 Haspel, 1 fish Knecht, 1 Schleifeisen, 1 Heukorb, 2 Pferde Decke, 1 Herd Blätte, 1 Spinnrad der Magd, 2 Leuchter, 2 Leuchter fehlt ist gestohlen, 2 Futter Kasten
Dito weiter: 2 Tische, 3 Kästen, 14 Säcken, 1 Wage Tuch, 2 A.r. siggern, 5 Tege siggern, 1 freiner Kluft, 1 rade sigge (Kreissäge), 1 Weiser Korb, 3 graue Korbe, 1 Waschbütte, 1 Tisch mit einem Tischkasten, 4 Bänke und eine kleine, 13 Tischtücher, 2 Bett Tücher, 9 Hand Tücher und 9 Ehl (Ellen) Flachsen Tuch, 3 Mehl stanne, 1 Saltz stanne, 5 kleine Höltzern mit den Krautfassern woh 2 Eisern Refe unrein, 1 Kleinnes Fettfaß, 5 Holtzern Birn Stossern, 1 Flachs Breche, 2 Käse Stänneger, 1 Kelter ist vorlängst verfallen, 4 Tanne Hückern, 1 Eiger dito, 4 Eigener, 1 Kübel mit eisern Reifen, 1 Deckel Krug, 1 Gläserner Bauttelge (frz. Bouteille Flasche), 1 kleiner Tisch in der großen Wondstube (Wohnstube), 1 Tafel daselbaten (daselbst), 1 Stocktrag, 3 Steige Leitern. Dieto weider: 1 Blaß Balg, 2 Fässer zu der gesambte Aschsche, 1 Mähl Kasten, 2 Kleine schänger, 1 Neue Hafer Wanne, 2 Kroppen zum Gebrauch, 4 alte Kroppe zur Asche, 1 Dippe voll Butter, 26 voll Quetsche Mus.
Die Richtigkeit des vorstehenden Inventariums wird von uns unterschriebenen hier durch bescheinigt, und den Neuen Kastenmeister Joh. David Breydenstein über geben Biedenkopp, den 10. Jan. 1800. (alter Hosp. Mstr. Joh. Brühl). Am ...1806 wird es wieder bescheinigt und dem Neuen Kastenmeister Joh. Jost Heinzerling übergeben von dem alten Kastenmeister Jacob Müller, desgl. 20. 1. 1813 von Joh. Jost. Heinzerling übergeben an Joh. Jakob Unverzagt.
Es unterzeichnen jeweils der Bürgermeister, 2 Bürger (1813 nur einer), der alte und der neue
Kastenmeister. Auch ein Vertrag mit einem neu eirızustellenden “Hofmann” ist uns erhalten. Darin heißt es unter dem 3.2.1697:
“Kund und zu wissen sei hiermit jedermann, daß zum heutigen Datum Bürgermeister, Rat und
Kirchenälteste zu Biedenkopf einen Hofmann namens Jost Sezpp in dem Hospital angenommen und mit demselben verhandelt haben wie folgt:
1. Werden ihm alle Äcker des Hospitals übergeben und verliehen auf drei Jahre, daß er solche in Bau und Besserung erhalten soll, und, nachdem solche drei Jahre verflossen sind, die Äcker wieder abliefern, wie er sie jetzt bekommt. Von solchen Äckern soll er den Armen den dritten Teil von aller Frucht liefern und diese auch den Armen in ihre Scheuer fahren;
2. werden die Wiesen aufgezählt, die ihm verliehen werden;
3. werden ihm vier Krautländer verliehen;
4. soll der genannte Hofmann gleichfalls auf drei Jahre von allen Hospitalgütern die Hälfte des Obstes haben, es sei auf den verpachteten als auch von des Hospitals anderen Gütern;
5. soll der Hofmann zu seinem und des Hospitals Nutzen all den Mist haben, der im Hospital gemacht wird, damit die Äcker und sämtliche Krautländer in guter Besserung erhalten werden, und der soll dem Hospitalmeister jährlich vier halbe Meste Hanf säen;
6. verspricht der Hofmann vermöge alten Herkommens, wie schon erwähnt, den dritten Teil zu liefern und einzufahren;
7. soll er gleichfalls dem alten Herkommen nach, den Armen ihr Heu auf ihren übrigen vorbehaltenen Wiesen zu gelegener und gebührender Zeit einfahren, wie auch den Zehnten, soviel davon dem Hospital zukommt. Einzelne Zehntgarben, die als letzte fallen, sollte er aber liegen lassen, damit sie die Armen sich heimtragen können;
8. soll der Hofmann dem alten Herkommen nach schuldig sein,das Hospital mit Holz zu versehen, nämlich was im Herd und in der großen Armenstube benötigt wird.
Damit dies alles nun auch steıf und fest gehalten wird, wie das auch der Hofmann zu tun und zu halten versprochen hat, so ist dieser Vertrag in zweifacher Ausführung aufgesetzt worden und von beiden Vertragschließenden eigenhändig unterschrieben und jedem ein Exemplar ausgehändigt worden.
So geschehen in Biedenkopf am 3. Februar anno 1697.
Unterschriften: Johann Ludwig Schmidt, Alexander Duchar, Wilhelm Walther.
Auf Bitte von Jost Seıpp, weil er selbst des Schreibens unkundig ist, habe ich dies für ihn unterschrieben: Johann Jakob Flamm.
lm Jahre 1812 heißt es übrigens in einem Bericht über die sogenarınten Versorgungsanstalten im Amt Biedenkopf (heute würden wir sagen: über die sozialen Einrichtungen), es gebe in der Stadt Biedenkopf deren zwei:
1. ein Stadthospital: Es wohnen dort 3 Männer, 12 Frauen. Das Hospital erhielt bis vor wenigen Jahren noch den halben Terzehnten. Obwohl ihm dieser verlorenging, kauft man an Frucht höchstens Hafer ein. Sonst versorgt es sich selbst;
2. ein Armeninstitut.
Die Armen sind nach ihrer Dürftigkeit in 5 Klassen eingeteilt. Durch eine freiwillige Abgabe der Einwohner Biedenkopfs werden sie jeden Sonnabend unterstützt. Die Stadtkasse muß diese Einrichtung aber unterstützen. (Einnahmen 1 fl. 30 Kreuzer, Ausgaben 2 fl. 43 Kreuzer). Das Hospital stand für alle Bürger und Bürgerinnen von Biedenkopf offen. Es diente nicht nur der Aufnahme alter, armer Leute, sondern wurde auch als Altenheim für die Begüterten angesehen. Interessant sind die folgenden Eintragungen:
“1671, 25. Mai ist Hans Roth vor Bürgermeister und Rath erschienen und gebeten, daß er seine Leibesversorgung die Zeit seines Lebens in Hospital haben möchte, dagegen er in das Hospital fünfzehn Gulden, jeden Gulden zu 26 albus, zu geben willig wäre, welche das Hospital zu l/3 im obersten Garten bei seinem Haus am T aubenwinkel und vonlseinem Gartenblech auf dem Kappesgarten am Seewasen, an Martin Schmitts Acker stoßend, haben solle. Ist ihm verwilligt worden.
5. März 1738 sucht Georg Kramer, Bürger zu Biedenkopf seine Leibesversorgung im Hospital vor Bürgermeister und Rat nach. Er will 40 fl. à 30 alb. geben; außerdem wollen sein Schwiegersohn Georg Dreher und seine Hausfrau eine tüchtige Oblication jährlich dazugeben, bis das Kapital abgetragen ist nebst Zinsen; er verschreibt dafür seine Haus- und Hofsaite, einen Garten am Taubenwinkel, ein Stück auf der Breitenwiese, zu einem gewissen Unterpfand. Georg Kramer aber erbietet, sich als ein rechtschaffener Pfründner aufzuführen und, soviel als die Leibeskrafte zu gehen als noch mit an die Arbeit zu gehen und dem Hospital soviel als möglich zu dienen, welches mit seiner eigenen Hand unterschriftlich bescheinigt wird. ”
1739 folgt die Aufnahme für “Herrn Hauptmann Bertrams Brudersohn Johann Peter Bertram, nachden er gebrech ich geworden.
1740, 14. Dez., wird von dem Landesherren die Aufnahme von Konrad Walther, Ludwig Walthers hinterlassenem Sohn (aus der bekannten Pfarrers- und Amtsfamilie), verfügt.
1741 wird Ludwig Walthers “Wittib” als Köchin im Spital aufgenommen. Am 2.10.1773 kommt Alexander Wambachs Tochter um ein Nachtlager im Hospital ein “weilen es von Herrn Amtmann und Herrn Pfarrer verstattet worden wäre". Resolution: “Da dermalen kein Platz im Hospital zu einem Nachtlager vorhanden ist, so kann der Wambachin keins angewiesen und eingeräumt werden; wohl aber, daß ihr wöchentlich ein Laib Brot aus demselben gereichet werde."
Am 18.4.1777 stellt Johann ,Peter Dörr ein erneutes Aufnahmegesuch für sich und seine Frau, da eine Stelle im Hospital durch Tod freigeworden sei. Bescheid: “Wenn der Implorant (Bittsteller) sein und seiner Frau Immobilia frei und ohne weitere Abgaben dem Hospital zuwenden kann, so kann ihm in seinem beschehenen Bitten deferiert (d.h. gewillfahrtet) werden. ”
Stadt und Kirche gemeinsam
Von Anfang an verwalteten Stadt und Kirche, Bürgermeister und Pfarrer das Hospitalvermögen gemeinsam. Soweit - so gut! - Aber hier lachte sich gelegentlich der Teufel ins Fäustchen. Hier konnte man schön Streit entfachen!
Schuld war auch nicht immer nur “die böse Stadt”. Da gab es einmal einen ganz bösen Pfarrer, den Pfarrer Walther, im Anfang des 18. Jahrhunderts.
Zwar hatte es schon im 17. Jahrhundert unter Pfarrer Cellarius Auseinandersetzungen gegeben. Die Kirche beklagt sich da, daß die Stadt versuche, ihre Rechte am Spital zu erweitern, während die Stadt betont, daß der Pfarrer, versuche ihr alte Rechte und Herkommen zu beschneiden. Der Pfarrer sagt, die Stadt habe widerrechtlich Aufnahmegebühr von drei Pfründnern genommen, es herrschten böse Mißstände im Hospital, die sich nicht ändern würden, solange es bei dem alten Herkommen bleibe, daß die Stadt in der Verwaltung mitarbeite.
Klagen über einen Pfarrer
Unter Pfarrer Walther dann aber setzt sich ganz offensichtlich die Kirche ins Unrecht. Dauernd muß die Stadt Klagen über ihn führen. Am 3.10.1713 erhebt die Stadt “Klage und Beschwerde gegen ihren Pfarrer Metropolitan Walther wegen unordentlicher und eigemnächtiger Verwaltung des Hospitals”. Auf einem Ratstag suchten Staat, Stadt und Kirche gemeinsam nach einem Übereinkommen; vertreten durch Rentmeister, Pfarrer und Rat mit Bürgermeister. Aber schon am 29. Dezember beschwert die Stadt sich erneut, daß Pfarrer Walther “ohne Wissen und Vernehmung des Bürgermeisters und Rats einen neuen Accord (eine neue Abmachung) getroffen” habe: Er habe das ganze Hospital mit allen Gefallen (also Grundstücken mit ihren Einkünften) an Philipp Henrich Hosch, Bürger zu Biedenkopf, verlehnt, so daß Hosch alle Gefälle erhält, aber nur 9 Pfründner zu verpflegen und zu versorgen braucht. Dagegen bestehe eine schriftliche Bestimmung der Darmstäder Regierung, vom 23.7.1629 (aus der Zeit des Übergangs der Stadt Biedenkopf an Hessen-Darmstadt), deren § 3 besage, daß, “wofern in der Hospitalsache etwas zu handeln, Bürgermeister und Rat jedesmal dazugezogen werden sollen”. Dabei war es auch von 1629 an geblieben. Danach ist der Metropolitan (d.h. Stadtpfarrer) nicht befugt, “in dem Hospital einige Neuerung mit Ausschließung Bürgermeisters und Raths vorzunehmen und die Zahl der Pfründner auf 9 zu verringern, da doch sonst 12-13 oder mehr Pfründner im Hospital gehalten und verpflegt werden”.
Nach Anhörung aller Seiten bestätigt der Landgraf, die Stadt in ihrem Recht auf Mitbestimmung mit dem Hinweis, daß Bürgermeister und Rat nachweislich schon 1580 bei der Abrechnung über das Hospital, die Verleihung der Hospitalgüter und die Aufnahme der Pfründner zugegen sein sollen. “Darüber war vorher nie ein Streit” heißt es. “Walther hat wider Herkommen mit Auschließung von Bürgermeister und Rat die Hospitalgüter wider unsere Gerechtsame und des Hospitals kundbarliches Interesse allein verlehnt.”
Am 21.8.1714 äußert sich der Landgarf zu neuerlichen Vorstellungen von Seiten der Stadt. Aus ihnen geht hervor, zu welch fröhlichem Kleinkrieg die Auseinandersetzungen inzwischen gefiihrt haben. Pfarrer Walther muß jetzt Lohn zahlen für Arbeiten, die Knecht, Pferde und Geschirr des Hospitals für ihn privat erledigt haben. Dem Rentmeister wird verboten, dem Pfarrer künftig Pferd und Wagen des Hospitals zu leihen. Dem Pfarrer Walther selbst muß befohlen werden, Leute, die ihm Schwierigkeiten machten, wieder zum Abendmahl zuzulassen.
1715 gibt es erneut Tumulte wegen des Hospitals. Diesmal muß die Stadt 100 fl. Strafe zahlen. Die Hälfte davon wird dann allerdings vom Landgrafen “in Gnaden erlassen".
1718 regelt die Regierung auf erneute Eingaben der Stadt hin grundsätzlich folgende Angelegenheiten, die strittig waren:
Die Rechnungsführung “Kastenschreıbereı” bleibt beim Pfarrer wie bisher. Dafür werden aber Verkäufe von Hospitalgütern, die der Pfarrer eigemnächtig getätigt hatte, für null und nichtig erklärt und die Güter wieder zum Hospital gebracht. Es wird dem Pfarrer erklärt, daß er kein Hospitalgut verkaufen darf, auch nicht im vermeintlichen Interesse des Hospitals.
Auch Kasteneinnahmen dürfen in Zukunft vom Pfarrer nicht mehr veräußert werden, es sei denn, er habe vorher die Genehmigung des Konsistoriums eingeholt, also seiner Vorgesetzten kirchlichen Behörde.
Es dürfen dem Pfarrer künftig keine Dung- und Holzfahrten mehr vom Hospital gemacht werden.
Durch solche privaten Fahrten waren nämlich dem Hospital 80 Garben Gerste verdorben. Die muß Pfarrer Walther nun vergüten. Dagegen stehen dem Pfarrer rechtmäßig zu “von einer Armen Leichenpredigt 1 fl., von den ganz Armen aber nichts", wie es wörtlich heißt. Der Komzehnt wird künftig bereits auf dem Felde geteilt und dem Pfarrer wie dem Hospital, jedem getrennt, sofort in seine Scheuer gefahren, desgleichen der Hafer, den der Pfarrer vom Hospital bekommt.
Dieser letztere muß aber von ihm bezahlt werden.(Die große Pfarrscheune oben beim alten Pfarrhaus stand noch bis in unsere Jahrhundert hinein.)
Im übrigen darf der Pfarrer mit dem Hospital in keiner Weise kontrahieren, also in Gegensatz geraten.
Aber die Streitigkeiten sind auch jetzt noch nicht beendet. Es kommt schließlich so weit, daß Pfarre Walther seiner Befugnisse im Hospital gänzlich enthoben wird, allerdings nur für seine Person. Ein künftiger Pfarrer darf die alten Rechte wieder wahrnehmen.
Walther hatte nämlich 1731 den Ratsstuhl im Hospital eigenmächtig verändern lassen. Der Rat forderte daraufliin sogar seine Absetzung als Pfarrer. Diese Forderung erfüllt das Konsistorium zwar nicht, aber vom Hospital wird er endgültig ferngehalten. Die Verwaltung fuhren, solange er im Amt ist, landgräfliche Beamte und der Stadtrat weiter. Unter Hinzuziehung aller Stadtväter hören sie jährlich die Rechnung ab und senden sie dann dem fürstlichen Konsistorium ein, so daß die Kirchenbehörde also eingeschaltet bleibt. Bei der jährlichen Abhörung der Hospitalrechnung hatte es offenbar immer ein großes Essen gegeben, und immer mehr Personen waren dazu geladen worden, die eigentlich mit dem Hospital gar nichts zu tun hatten. Hier wird jetzt durch den Landgrafen ein Stöckchen vorgesteckt: Es sollen nur noch die zur Abhörung erforderlichen Personen an den Mahlzeiten teilnehmen, und diese sollen sich innerhalb eines bestimmten preislichen Rahmens halten. (Also auch damals hat es schon Spesenmißbrauch gegeben).
Die Verwaltung war sorgsam
lm allgemeinen darf man annehmen, daß die Verwaltung des Hospitals eine sorgsame und geordnete war. Aus einem Inventarverzeichnis von 1716 geht hervor, daß es über ein recht ansehnliches bewegliches Vermögen verfügte. Es bestand ja nun schon 300 Jahre. Sein Ansehen und seine Aufgaben waren die ganze Zeit über unangefochten gleichgeblieben. So scheint es auch weiterzugehen die nächsten 50 Jahre hindurch, bis dann plötzlich im Jahr 1774, also vor jetzt gerade 200 Jahren, der Stadtrat Klage führt über die schlechte Haushaltung der 70 jährigen Köchin.
Wir lesen in einem Memorandum:
“Wie man mit Recht das dahiesige Hospital einen Unterhaltungs- und Verpflegungsort für arme, elende und gebrechliche Personen nennen kann, so ist auch ein jeder rechtschaffener Bürger verbunden, für deren weitere Aufrechterhaltung ernstlich zu sorgen. Bei der seitherigen darin geführten Haushaltung, wenn solche nicht in Zeiten abgeändert wird, siehet es einem Untergang tränend entgegen; denn wie kann es in die Länge bestehen, wenn man täglich eine Meste Backfrucht haben und dann jährlich noch für 100 fl. erkaufen muß; auch wenn man von 8 in frischer Milch stehenden Kühen, die täglich 8 Eimer Milch geben und davon wöchentlich 5 mal Butter gemacht wird, nur einen geringen und nichts bedeutenden Buttervorrat von 2 Monaten aufweisen kann? Was soll nun in den übrigen I0 Monaten gesammelt werden, wenn die Kühe in der Milch abnehmen und versiegen? Vermutlich gar nichts.
Hieraus kann demnach nichts anderes als eine kahle Hausschlachtung entstehen, die doch der Erhalter aller seiner Geschöpfe vorzüglich mit Überfluß gesegnet hat.
Dieses ist nun die Sprache und pflichtmaßige Anzeige solcher patriarchalischer Männer, denen an der Aufnahme des Hospitals viel gelegen und denen auch die jetzt drinnen geführt werdende üble Haushaltung mehr als zuviel bekannt ist. Dem Herrn Pfarrer Teuthorn allhier ist obige Anzeige auch geschehen. Dieser wünschen nichts mehr als eine Abänderung und bessere Haushaltung zu sehen.
Um nun eine gute Haushaltung widerum zu bekommen und das Hospital von seinem bevorstehenden Ruin zu befreien, wird nötig sein, eine gute Haushälterin als neue Köchin einzustellen. Für die jetzige Köchin wird dieses umso angenehmer sein, da sie als eine über 70jährige Frau dadurch einer Haushaltungslast, die ihr 'bei ihrem Alter unerträglich zu werden anfängt, entledigt und als Pfründnerin in Ruhe gesetzt wird. Hermann Brauns Wittib allhier schickt sich nun vortrefilich wohl zu einer neuen Haushälterin und Köchin in das Hospital. Sie ist noch munter und noch nicht zu alt; sie hat noch Leibeskrafte, und was das beste ist, ist sie - wie der ganzen Stadt bekannt - eine gute Haushälterin.
Auf vieles Zureden will sie auch dieses Amt übernehmen. Wofern nun das Hospital erhalten werden soll, so soll und muß diese Abänderung geschehen. Der Herr Pfarrer sei mit der Braunschen Wittib vollkommen zufrieden, und derjenige, dem die Verwaltung des Hospitals dermalen übertragen worden, dringet darauf Diese werden nun als Vorgesetzte der Stadt und des Hospitals in einer Sache nicht entgegen sein, die hoffentlich für das Hospital so gut ausschlagen soll. Nachdem aber der löbliche Stadtrat sobald nicht zusammenkommen möchten und jedoch diese Sache, gewisser Ursachen halber, keinen Verzug leidet, so belieben Sie, dieses Promemoria, daß sie mit dem Herrn Pfarrer einerlei Meinung sein wollen, eigenhändig zu unterschreiben.
Biedenkopf den 13. April 1774
Johann Philipp Wagner, Bürgermeister
Johann Caspar Metz,
Johann Hermann Höhn,
Gg. L. Bruehl,
Ludwig Wilhelm Bast,
Paul Christian Großmann,
Johann Egidius Brihl. ”
ln der genannten Witwe Braun scheint der Stadtrat aber keinen glücklichen Griff getan zu haben, denn bereits 1780 melden die Akten, daß die Köchin ihr Amt nicht täte, daß der Knecht und die Magd nicht länger im Dienst bleiben wollten, auch daß sie eine besondere Spinnstube halte und das Öl dadurch unnütz verbrannt werde.
1801:
Hospital verschuldet
Ob mangelhafte Aufsicht die Schuld trug oder wo sonst die Gründe zu suchen sein mögen - im Jahr 1801 hören wir, daß das Hospital seit 10 Jahren so sehr in Abgang gekommen sei, daß es binnen dieser Zeit 1000 fl. Passivschulden gemacht hätte und deswegen vom Hochfürstlichen Consistorium bereits 1771 beschlossen worden sei, daß die Haushaltung in demselben aufgehoben werden solle. Im Jahre 1818 wurde erwogen, ob das Hospital sich bei Verleihung der Güter und Verpflegung der Pfründner durch den Pächter nicht besser stehe und das dem bisherigen Haushalt vorzuziehen sei. Die Akten lassen vermuten, daß in diesem Sinne eine Verpachtung Zustande kam; denn es ist von einem Pächter Johann Jost Schmidt die Rede, der 32 fl. 6 kr. Pacht bezahlt haben soll.
1817 hatte die Stadt begonnen, mit dem Bau der heutigen Hospitalstraße und deren Durchbruch zum Markt hin, quer durch die Hospitalanlage. Dazu kam schließlich der Umstand, daß die Gebäude in einem recht schlechten, baufälligen Zustand geraten waren. So wurden sie am 16. August 1826 zum öffentlichen Verkauf ausgeschrieben, und, da sich Käufer nicht fanden, am 1. Februar 1827 auf Abbruch versteigert.
Auch das Vieh wurde versteigert. Bei der Auflösung des Hospitals 1826 wohnten dort noch 16 Hospitaliten. Wir kennen ihre Namen: Joh. Kraft Wehn, Joh. Plack, Gg. Lepper Franz Kramer, Anna Juliane Unverzagt, Felice Cyriax, Catharina Heinzerling, Catharina Unverzagt, Marie Elisabeth Wehn, Marie Catharina Vomhof, Thiel Kraft Wehn, David Jung, Jakob Wegemer, Kraft Heinzerling, Gg. Caspar Wehn, Gg. Caspar Wehns Ehefrau; also 9 Männer und 7 Frauen mit heute noch in Biedenkopf wohlbekannten Naınen. Sie kamen in Privathaushalte zur Pflege, und ihr Unterhalt wurde aus Hospitalvermögen bezahlt. Nach Versteigerung, Verkäufen und Verpachtungen blieb dem Hospital immerhin noch so viel Vermögen, daß es jährlich zunächst einen in der Höhe wechselnden, später auf 858 Mark festgesetzten Zuschuß zur Armenpflege an die Stadt geben konnte. Die Stiftung als solche war also bestehen geblieben, nur die Haushaltung aufgelöst. Der jährliche Armenzuschuß wurde von 1835 an gezahlt und lief in der eben erwähnten Höhe bis zum ersten Weltkrieg weiter.
Die Stadt mußte noch eine andere Verpflichtung des Hospitals übernehmen, nämlich den Zuchteber zu halten. Für den Unterhalt dieses wichtigen Herrn zahlte das Hospital der Stadt eine einmalige Abfirıdung von 6600 Mark.
Die Kirche blieb
Die Hospitalkirche behielt die ganze Zeit über ihre Bestimmung. Zeitweise war sie sogar das einzige benutzbare Gotteshaus der Stadt, nämlich von 1865 bis 1891, während die Stadtkirche wegen Baufälligkeit geschlossen war, schließlich abgerissen und eine neue Kirche gebaut wurde. Nach 1891 diente sie dem Nachmittagsgottesdienst, später, nach dem zweiten Weltkrieg, ehe die evangelische Kirchengemeinde ein Gemeindehaus hatte, fanden hier Wochenschlußandachten, Bibelstunden, Kindergottesdienste, Kirchenchorproben, Kirchenvorstandssitzungen, Gehörlosengottesdienste statt. Und sogar einmal im Jahr der beliebte Altenkaffee. Um für solche Zwecke dem Raum mehr den Charakter eines Saales als einer Kirche zu geben, war man dann auf den Gedanken verfallen, den Alterraum vom Kirchenschiff durch eine große Jalousie, später verkleidet durch einen Vorhang, abzuschließen, etwas, was die Kunstsachverständigen von jeher als Barbarei bezeichneten, was aber andererseits der Gemeinde viele Heizkosten in diesem ständig zu kalten und zugigen Raum sparte.
In der Satzung der Hospitalstiftung von 1896 wurde erneut festgestellt, daß die Stiftung durch einen Vorstand verwaltet werde, bestehend aus:
1. dem evangelischen Pfarrer zu Biedenkopf als Vorsitzendem,
2. sämtlichen Mitgliedern des Gemeindevorstandes zu Biedenkopf, dem Bürgermeister bzw. seinem Stellvertreter als stellvertretendem Vorsitzenden. An Stelle des kollegialen Gemeindevorstandes trat ab 1937 der Bürgermeister allein. Vom Kirchenvorstand ist 1896 nicht mehr die Rede. Heute bildet der Magistrat zusammen mit dem Bürgermeister die Vertretung der städtischen Seite, während der Pfarrer, nach wie vor als 1. Vorsitzender, allein die Seite der Kirchengemeinde vertritt. Über eine Wiederbeteiligung des Kirchenvorstandes ist schon mehrfach beraten worden, man hat sich aber über einen geeigneten Modus bisher noch nicht ganz einigen körmen. Die “Vertretung nach außen”,« z.B. die Ausstellung vermögensrechtlich verpflichtender Urkunden, steht heute wie 1896 dem Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden bzw. ihren Vertretern gemeinsam zu.
Das Stiftsvennögen bestand also die letzten 150 Jahre hindurch aus diesem Kirchengebäude und verpachtetem Grundbesitz.
Die Pachtverträge waren bestimmt und wurden verwendet zur notdürftigen Erhaltung der Hospitalkirche und zur jährlichen weihnachtlichen Armenbescherung.
Der Pachtvertrag war aber allmählich so gering geworden, daß er nur mehr etwa 700 Mark jährlich betrug; die Weihnachtsgabe an die Bedürftigen verlor immer mehr an Kaufkraft; die längst geplante grundlegende Renovierung dieser Kirche, von der es schon in den Protokollen von 1960/61 heißt, sie müsse nun wirklich aber endlich in Angriff genommen werden, ließ sich von den vorhandenen Mitteln einfach beim besten Willen nicht durchführen. So faßte man 1961 den Beschluß, die Stiftung überhaupt aufzulösen “weil sich”, wie es im Protokoll heißt, “die Verhältnisse wesentlich geändert haben und die Erfüllung des Stiftungszweckes unmöglich geworden ist”. Man beabsichtigte, den gesamten Grundbesitz zu verkaufen, 60 Prozent des Erlöses der evangelischen Kirchengemeinde zu geben, die davon die Hospitalkirche renovieren und instand halten sollte.
Das Kirchengebäude sollte ihr als Eigentum und zur Nutzung für kirchliche Zwecke kostenlos überschrieben werden. 40 Prozent sollte die Stadt bekommen und im Sinne der Stiftung für Armenpflege verwenden.
Der Regierungspräsident als zuständige Aufsichtsbehörde in Stiftungsangelegenheiten wurde gebeten, diesem Beschluß zuzustimmen. Aber der Regierungspräsident stimmte nach eingehendem Studium des geltenden Stiftungsrechtes überraschenderweise nicht zu. Er machte dagegen den folgenden Vorschlag: “Die Stiftung als solche ist aufrechtzuerhalten. Das vorhandene Grundvermögen außer der Hospitalkirche sollte verkauft und der Ertrag zinsbringend günstig angelegt werden. Die Kirche bleibt Eigentum der Sfiftung, kam aber nun aus dem Verkaufserlös zweckmäßig und gründlich renoviert werden und wird dann der evangelischen Kirchengemeinde zur Nutzung kosten- und mietfrei zur Verfügung gestellt”.
Diesen Vorschlag des Regierungspräsidenten hat sich damit der Hospitalvorstand zu eigen gemacht. Der Grundbesitz wurde verkauft, der Erlös betrug etwa 250.000 Mark. Ein Teil dieses Geldes wird weiterhin im Simıe der Stiftung für die jährliche Weihnachtsgabe an Unbemittelte und zur Unterstützung der Altentagesstätte und der evangelischen Schwestemstation verwendet.
Quellen:
1. Staatsarchiv Marburg, 330 Biedenkopf, A 100, 109, 110, 111, 350, 351, 720, 1169, 1171, 1623 B (Hospital u. Hospitalverwaltungl; B 2 und 3 Stadprotokolle, Ratsprotokolle;
2. Akten der Stadt Biedenkopf;
3. Akten der evangelischen Kirche Biedenkopf.
555 Jahre Hospitalkirche Biedenkopf, Nachdruck einers Festvortrages von 1974
Mitarbeit: Günter Bäumner, Jürgen Döpp, Marie-Luise Nier
Erscheinungsjahr 2000
Nachdruck: 2013 - 100 Stück