Das Schenkbarsche Haus gehört zu den bedeutendsten historischen Bauwerken in Biedenkopf. Seine Geschichte reicht bis ins Hochmittelalter zurück und lässt sich heute nahezu lückenlos bis ins frühe 13. Jahrhundert nachvollziehen.
Frühgeschichte und Ursprünge
Archäologische Funde und bauhistorische Untersuchungen datieren den steinernen Keller und die Fundamente auf etwa 1240 oder früher. Der romanische Rundturm an der Südostecke ist in Bauweise und Material nahezu identisch mit Teilen der Stadtbefestigung und ähnelt dem Bergfried der Burg Biedenkopf. Über dem steinernen Sockel erhebt sich heute ein imposanter fünfstöckiger Fachwerkbau – ein für die Stadt einzigartiges Beispiel spätmittelalterlicher Baukunst.
Erste Erwähnung und das „Knorengut“
1365 wird das Anwesen erstmals urkundlich erwähnt, als Ritter Krafft von Döring es an den Biedenkopfer Bürger Kunz Ruhlen verkauft. Durch familiäre Erbfolge gelangt es später in die Hände der Patrizierfamilie Knorre, woraus sich die Bezeichnung „Knorengut“ ergibt. Diese taucht 1532 in einem Schiedsspruch der Familie von Breidenbach auf.
Adel, Erbstreit und Universitätsflucht
Im 15. Jahrhundert wird das Haus Lehen der Adelsfamilie von Hohenfels. Ludwig von Hohenfels wohnte dort vermutlich unter dem Beinamen „Ludewig Pütz“. Sein kinderloser Sohn Adolf verstarb 1505, womit die Linie in Biedenkopf erlosch. 1541 übernahmen die Schencken zu Schweinsberg und die Familie Schutzbar gen. Milchling das Gut. Ein jahrzehntelanger Erbstreit mit den Breidenbachs führte 1575 zum Verkauf des Anwesens an den Landgrafen von Hessen.
Eine Besonderheit ist die Überlieferung, dass die Universität Marburg während einer Pestepidemie 1563 ins Schenkbarsche Haus ausgelagert wurde – möglicherweise unter Leitung der aus Biedenkopf stammenden Professoren Johann Pincier und Justus Vultejus.
Landgräflicher Besitz und spätere Entwicklung
Ab 1575 war das Gebäude landgräflicher Besitz und wurde an lokale Amtspersonen als Erblehen vergeben. Heinrich Schenckbar erhielt das Haus 1610, worauf der Name „Schenkbarsches Haus“ zurückgeht. In den folgenden Jahrhunderten wurde das Anwesen mehrfach innerhalb von Amtsfamilien wie Walther, Zießler und Schmidtborn weitervererbt. Besonders bemerkenswert ist die bauliche Erweiterung von 1610: Die oberen drei Stockwerke wurden damals auf die beiden vorhandenen unteren Fachwerkgeschosse gesetzt.
Teilung, Erbstreit und Wiedervereinigung
Im späten 18. Jahrhundert kam es zu einem Erbstreit um den Besitz. Ab 1815 ging das Haus in bürgerlichen Privatbesitz über und wurde in zwei Haushälften geteilt. Diese Trennung bestand bis 2009, als das Gebäude wieder in einen einheitlichen Besitz überging. Seither wird das Anwesen als Privatmuseum geführt.
Heutige Nutzung und Museum
Seit 2010 ist das Schenkbarsche Haus als begehbares Museumsstück erlebbar. In Führungen werden originale Baustrukturen des spätmittelalterlich-renaissancezeitlichen Fachwerks erklärt. Ergänzt wird das historische Ambiente durch eine Privatsammlung von Ikonen und außereuropäischen Textilien, die ebenfalls im Haus ausgestellt ist. Dabei ist das Gebäude nicht nur Museum, sondern zugleich ein bewohntes Privatobjekt mit liebevoll gepflegtem Charakter.
Zeittafel wichtiger Ereignisse
Jahr | Ereignis |
---|---|
ca. 1200 | Bau von Keller und Rundturm, vermutlich Teil der Stadtbefestigung |
1240–1254 | Errichtung der Stadtmauer und Integration des Hauses |
1365 | Erste urkundliche Erwähnung des Hauses (Verkauf durch Ritter von Döring) |
1477 | Übergabe an Ludwig von Hohenfels als Erblehen |
1505 | Aussterben der Linie Hohenfels in Biedenkopf |
1532 | Erwähnung des Anwesens als „Knorengut“ im Erbstreit |
1541 | Übergang an Schenck zu Schweinsberg und Schutzbar gen. Milchling |
1575 | Kauf durch den Landgrafen von Hessen |
1610 | Erblehen an Heinrich Schenckbar – Namensgebung und Aufstockung |
1764–1777 | Erbstreit mit Familie Nagel |
1815 | Übergang in bürgerlichen Privatbesitz durch Familie Koßmann |
2009 | Wiedervereinigung der beiden Haushälften |
2010 | Eröffnung als Privatmuseum |
🕰 Besuch und Führungen im Schenkbarschen Haus
Das Schenkbarsche Haus ist als Privatmuseum geöffnet und kann im Rahmen einer Führung besichtigt werden. Aktuell sind die Schwarze und Weiße Küche sowie das Ikonenmuseum zugänglich.
- Nur nach Voranmeldung und Terminabsprache
- Max. 2 Personen pro Führung
- Dauer: ca. 30 Minuten
- Eintritt frei
- Kontakt:
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. oder Tel. 06461 / 89180
Weitere Informationen finden sie auch auf der Website der Stadt Biedenkopf und auf den Webseiten des Schenkbarschen Haus.
Quellen: Hinterländer Geschichtsblätter, Beiträge von Elvis Benner, Elsa Blöcher u.a.